Poesie, Liebe, Humor

Aus Breslau.
– den 18. October 1896.

Das schöne Werk Goldmark’s »Heimchen am Herd« hat nun auch in unserem Stadttheater eine Heimstätte gefunden. Und schwer ist’s dem wunderlieblichen musikalischen Idyll nicht geworden, die Herzen der Breslauer zu gewinnen. Die klangvollen Melodien, die so treffend den feinen Humor der Dichtung erkennen lassen, erreichen den Höhepunkt ihrer Wirkung im III. Act. Wenn die Breslauer im Theater in Begeisterung gerathen, so möchten sie am liebsten Alle, die irgend einen Antheil an der Explosion ihrer Gefühlsäußerungen haben, vor die Rampe citiren. Der Componist und der Director Herr Dr. Loewe erschienen nicht – (ersterer hatte leider der Aufführung überhaupt nicht beiwohnen können) – dafür ward ihnen aber die Freude, die Herren Weintraub und Habelmann begrüßen zu können. Herrn Weintraub’s wundervolle Orchesterleitung zeigte wieder das große musikalische Können und Verständniß dieses vorzüglichen Kapellmeisters. Die Inscene des Herrn Habelmann hatte bis in’s Detail der Märchendichtung des Dichters und des Componisten Rechnung getragen. Poesie, Liebe, Humor! Frau Fiora’s (Dot) degagirtes, aber immer discret reizendes Spiel ordnete sich ihrem Gesange bei. Wunderhübsch bräutlich sah Frau Krammer aus, spielte und sang mit inniger Empfindung. Und als anmuthiges herziges Heimchen gefiel Frl. Gardini ungemein. Herr Schwarz (Postillon) ward für seine prachtvolle Leistung stürmisch gefeiert. Herr Briesemeister (Edward) war ganz besonders gut disponirt. Der »komische« Part befand sich bei Herrn Schubert in den besten Händen. Das schadet dem alten Herrn Puppenmacher gar nicht, daß er mit der alten Schachtel schließlich vorlieb nehmen muß! Diese Scene spielten Herr Schubert und Frau Hradetzky, unsere verdienstvolle Chorführerin, geradezu meisterlich.
(Der Humorist vom 20. Oktober 1896)