… stimmungsvoll und reich ausgestattet …
Hofoperntheater. Nachdem es neulich mit der Entdeckung eines jüdischen Wagner nichts wurde, hat man gestern wenigstens einen jüdischen Humperdinck gemacht. Der bisher als Ballet-»Dichter« bekannte Journalist Alfred M. (?) Willner hat aus Dickens’ reizender Novelle »Das Heimchen am Herd« die äußeren sentimentalen Vorgänge losgeschält und dramatisirt und Karl Goldmark hat dazu in theilweise geschickter, theilweise matter, aber getreuer Nachahmung von Humperdinck’s »Hänsel und Gretel« die Musik geschrieben. Den überreichen Beifall und die vielen Hervorrufe hat er einerseits seiner zahlreich erschienenen »Gemeinde«, andererseits der Freundschaft Direktor Jahn’s zu verdanken, welcher kein Mittel unversucht ließ, um einen starken Theatererfolg herauszuschlagen. Er hat das Werk ungewöhnlich sorgfältig einstudirt, eigenhändig geleitet, stimmungsvoll und reich ausgestattet und, wenn man von Frl. Abendroth absieht, mit den Damen Renard und Förster und den Herren Schrödter, Ritter und Reichenberg – man bemerke die Stufenleiter – mustergiltig besetzt, und endlich ganz gegen die Ueberlieferungen unserer Hofoper ohne innere Berechtigung das Vorspiel zum dritten Akt mit überraschender Bereitwilligkeit zur Wiederholung gebracht. Hagen.
(Ostdeutsche Rundschau vom 22. März 1896)