»Frühlingskinder im bunten Gedränge«

Am 30. Oktober begann der »Musikverein« die erste seiner projectirten vier Aufführungen unter Leitung des Herrn Musikdirector Vollhardt mit einem mustergiltigen Programme, dem man es ansah, daß es gleich den letztjährigen, der Vergangenheit die ihr gebührende Verehrung zu zollen, ebenso entschlossen ist, wie für die Forderungen der Gegenwart muthig in die Schranken zu treten.

Den Anfang machte Beethoven’s B dur-Symphonie Nr. 4, die zwar recht sorgfältig einstudirt war, aber wenigstens auf uns einen völlig befriedigenden Eindruck nicht machen konnte, sei es, daß hin und wiedcr die richtige Wärme im Vortrage fehlte, sei es, daß die Streichinstrumente oft an Reinheit und an Gleichheit des Striches zu wünschen übrig ließen. Bei weitem besser gelungen kamen dann zwei »Elegische Melodien« von Edward Grieg, »Herzwunden« und »Der Frühling« zu Gehör. Beide Stücke tragen die Eigenart ihres Erzeugers an sich, gehören jedoch unter die schwächeren, wenn nicht unter die schwächsten Erzeugnisse Grieg’s, namentlich »Der Frühling«, der an eigner Erfindung zu wenig bietet. Mit Leib und Seele war das an diesem Abende stark beschäftigte Orchester bei der Ausführung von Goldmark’s Ouvertüre »Der Frühling«, einem heißblütigen, farbenprächtigen und formenschönen Werke, dessen warm quellende Sprache in uns unwillkürlich die ersten Verse aus Lenau’s »Frühlingsklänge« wachrief:

Frühlingskinder im bunten Gedränge,
Flatternde Blüthen, duftende Hauche,
Schmachtende, jubelnde Liebesgesänge
Stürzen ans Herz mir aus jedem Strauche.
Frühlingskinder mein Herz umschwärmen.
Flüstern hinein mit schmeichelnden Worten,
Rufen hinein mit trunkenem Lärmen,
Rütteln an längst verschlossenen Pforten.

(Edmund Rochlich)