… einer neuen Ouvertüre, sondern Vater von einem Zwillingspaar von Ouvertüren«, korrigiert die Neue Zeitschrift für Musik am 2. Oktober 1889 eine frühere Meldung. Das merkliche Erstaunen des Blattes ist nachvollziehbar: »Bei der außerordentlichen Spärlichkeit oder weisen Selbstkritik, mit welcher Goldmark schafft, hat man gemeint, die neue Ouvertüre werde nur dem Titel nach anders angegeben. Die Kgl. Capelle zu Dresden indessen, welche sich an den Tondichter nach Gmunden wandte, bringt Licht in die Sache Goldmark, dessen besondere Verehrung für das Dresdner Kunstinstitut bekannt ist, schreibt zurück: er werde natürlich mit Freuden zu einer Erstaufführung in Dresden die Hand bieten, indeß wolle man entscheiden, welche Ouvertüre: er habe zwei: ›Frühlingsfeier‹ und ›Prometheus‹. – Eine weitere Nachricht aus Gmunden, Goldmark arbeite an einer Oper ›Egmont‹, ist mit Vorsicht aufzunehmen. Es gehört zu den besten Eigenschaften des hochbegabten Autors, keine unfertigen oder mißlungenen Werke zu schaffen. Er denkt so lange nach, ›wägt‹ so lange, ehe er ›wagt‹, daß in der That alle seine gedruckten Werke in ihrer Art voll wirken. Zwischen der ›Königin von Saba‹ und ›Merlin‹ liegen 11 Jahre. Nach dem ›Merlin‹ wird sich Goldmark nicht überstürzen. Textdichtungen liegen ihm längst zu Dutzenden vor. Aber – ›Egmont?‹ Man erwäge in dem Meisterwerk Goldmarks, der ›Königin von Saba‹ die Eigenart der herrlichen Musikschönheiten. Sie bestehen in der romantischen Stimmungsschilderung, in einer glühend farbenreichen exotischen Tonfarbenmischung.«

☞ Schon im September 1889 wollten die Signale für die musikalische Welt (Heft 47) wissen, daß beide Werke »ihre erste Aufführung in Dresden und zwar in den bevorstehenden Symphonieconcerten der königlichen musikalischen Capelle erleben werden.«

☞ Ganz so einfach gestaltete sich die Angelegenheit jedoch nicht, denn schon die Signale 1889/6 meldeten im Januar 1889, daß im »letzten Philharmonischen Concert zu Pest … Carl Goldmark’s neues Orchesterwerk, die Ouvertüre »Im Frühling« (Adur, Manuscript) unter Leitung des Componisten zum ersten Male zur Aufführung [gelangte] und … mit jubelndem Beifall aufgenommen [wurde]. Das ganze Werk mußte wiederholt werden.« (Da dieses Heft einen Jahresrückblick enthält, muß die Pester Premiere also schon 1888 stattgefunden haben.)

☞ Zu der vorgesehenen Dresdner Doppel-Premiere kam es nicht; die beiden Ouvertüren erklangen indes am 28. November 1889 im siebten Abonnementkonzert des Leipziger Gewandhauses, wo sie ob ihrer äußersten Gegensätzlichkeit mit großer Aufmerksamkeit gehört und mit viel Applaus bedacht wurden. Darüber berichteten:

Signale für die musikalische Welt 1889 Heft 71
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Neue Zeitschrift für Musik vom 4. Dezember 1889
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Musikalisches Wochenblatt vom 12. Dezember 1889
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☞ Andernorts werden die ungleichen Zwillinge vom Traunsee voneinander getrennt ins Treffen geführt. Schon am 25. November, mithin drei Tage vor dem Leipziger Doppelschlag, hatte Carl Goldmark die Gelegenheit, seine Ouvertüre zum Gefesselten [nicht: Entfesselten, wie gelegentlich zu lesen ist] Prometheus des Aeschylos mit dem Berliner Philharmonischen Orchester vorzustellen: »Das noch im Manuscript befindliche Werk, vom Componisten persönlich dirigirt, erlebte hier seine allererste Vorführung. Fesselnd durch klar und prägnant auftretende Themen, deren meisterliche Ausgestaltung und charakteristische Verwerthung, nicht minder auch durch reiche Ausbeutung instrumentaler Effecte, wußte dieses Stück gesunder Programmmusik einen bedeutenden Erfolg davonzutragen.» (Signale für die musikalische Welt 1889 Heft 71)

☞ Da wir den beiden Werken künftig − zumindest nach dem gegenwärtigen Stand der Zeitungslektüre − stets in Einzelvorstellungen begegnen, werden sie nachfolgend ihrer jeweils eigenen Wege gehen:

  1. 1
    Im Frühling op. 36
  2. 2
    Der gefesselte Prometheus des Aeschylos op. 38