Glücklich in der Erfindung, vortrefflich in der Form

… sein Ensemble mit dem d-moll-Quartett des jung verstorbenen Hofoperndirektors Johann Ritter von Herbeck (1831-1877) und dem Streichquartett a-moll op. 132 von Ludwig van Beethovens einen geradezu idealen Rahmen für die Premiere der neuesten Goldmarkschen Kreation. Das zweite Klaviertrio e-moll op. 33 (»Pablo Sarasate freundschaftlich zugeeignet«) ging offenbar glänzend vonstatten, hat aber anscheinend nicht alle anwesenden Beobachter völlig überzeugen können. Wenigstens einer der Berichtenden muß die Veranstaltung unter völlig falschen Voraussetzungen gehört haben, denn er schreibt: »Den Clavierpart des hier zum ersten Mal gehörten Trio spielte Herr Professor Epstein mit der an ihm stets gepriesenen Gediegenheit. Vom Trio selbst war nur das Scherzo neu, das erst jetzt vom Componisten eingefügt wurde und sich durch frischen Zug hervorthat.« (Signale für die musikalische Welt 1880/21)

 

Julius Epstein (1832-1926)

Entweder war der Kommentar als ironische Anspielung (»im Trio nichts neues«) auf das dreiundzwanzig Jahre ältere Opus 4 gemeint, mit dem Goldmark seinerzeit die ersten öffentlichen Gehversuche unternommen hatte; oder der Autor hatte sich lediglich sagen lassen, was er hätte hören sollen − daß nämlich das an zweiter Stelle figurierende Presto beim Uraufführungspublikum die größte Begeisterung auszulösen vermochte:

• Das Programm der fünften Quartett-Production Hellmesberger enthielt eine Novität, die gewiß eine Bereicherung des Repertoires aller Kammermusikvereine zu bilden berufen ist: Eine Trio von Goldmark. Die Musik dieses Bewunderers seiner »Königin von Saba« strömt stets einen berauschenden Hauch der orientalischen Weise und geistreichen Instrumentation aus, der uns gefangen nimmt, aber wie ein angenehmer Traum mit dem Moment seine Wirkung.verliert. Ohne die Schönheiten des ersten und dritten Satzes zu verkennen, die vornehmlich in frapprirenden Klangeffecten der meist unisono geführten Melodien bestehen, hat uns nur der Scherzo-Satz zu einer Anerkennung hingerissen, die auch vom Publicum im stürmischen Maße getheilt ward. In der That ist diese Tarantelle und besonders die eingekeilte, durch Wohllaut wirklich fesselnde Canzone mit solch’ geistvollen Mitteln durchgeführt, daß wir dem Compositeur gerne alle die Kraft der Erfindung und Instrumentation beimessen, welche das Genie bezeugt, wenn es auf der Höhe seiner Bestimmung angelangt ist. (Morgen-Post vom 21. Februar 1880)

• Bei Hellmesberger hört man ausser den immer am mächtigsten einschlagenden, die ganze Seele des Verstehenden gefangen nehmenden Riesenwerken Beethoven’s Op. 127, 130 und 132 auch sehr interessante Novitäten, unter denen wir das in der fünften Soiree aufgeführte 2. Claviertrio von Goldmark (Emoll) zu oberst nennen möchten; so volksthümlich reizend finden wir das Scherzo-Trio, so gluth- und schwungvoll die langsame Einleitung des letzten Satzes, welcher sich übrigens, wie auch der erste, mehr in herkömmlichem, zumeist Schumann’schem Geleise bewegt. Reminiscenzen an das Clavierquintett und die Esdur-Symphonie Schumann’s sind im ersten Allegro des neuen Trios, welches sich durch Formklarheit und für alle Instrumente überaus dankbaren und doch stets vornehmen Satz auszeichnet, nicht zu verkennen. Im Ganzen will uns das Finale der Novität (wenigstens auf einmaliges Hören) minder zusagen, es könnte origineller sein, doch klingt nach grossem virtuosen (vielleicht etwas äusserlicheren) Aufschwunge Alles ungemein poetisch und überraschend leise aus: wir konnten hier, wie nach dem Scherzo in den im ganzen Saale laut werdenden Ruf nach Goldmark, der neuerdings mit Kammermusik besonders glücklich, nur einstimmen. (Theodor Helm im Musikalischen Wochenblatt vom 12. März 1880)

***

• Auch in Berlin findet Goldmarks neues Trio höchst angesehene Anwälte: »Zu dem ersten Abonnementconcert der Herren Xaver Scharwenka, Gustav Holländer und Heinrich Grünfeld hatte sich eine zahlreiche Zuhörerschaft eingefunden, die den Vorträgen des accreditirten Künstlertrifoliums mit regstem Interesse folgte. Es machte sich zuerst um die Einführung eines neuen Clavier-Trio in Emoll von Goldmark verdient, welches weitaus zu den besten Erzeugnissen nicht nur des Componisten, sondern der gesammten neueren und neuesten Kammermusikliteratur gehört. Glücklich in der Erfindung, vortrefflich in der Form, abgeklärt und durchsichtig in seiner ganzen Haltung, wird es jederzeit den Erfolg für sich haben. (Signale für die musikalische Welt, 1880/64)

• Die Triosoireen von Scharwenka, Hollaender und Grünfeld wurden diesmal durch ein neues Goldmark’sches Trio in E moll (Op. 33) eröffnet. Der Componist zeigt sich hierin von seiner liebenswürdigsten, heitersten und unbefangensten Seite, alles Grübeln und Welt-aus-den-Angeln-heben ist ihm fern – und fast glaubt man gar nicht, dass dieses Trio seiner Feder entflossen. Allerdings müssen wir auch manchmal etwas leicht Gewogenes mit in den Kauf nehmen, aber die Art und Weise, wie er es uns darbietet, entschuldigt die Unbedeutendheit des Inhalts. (Paulus Meister im Musikalischen Wochenblatt vom 19. November 1880

***

Kurze Kommentare erreich(t)en die musikinteressierte Leserschaft ferner aus

• Dresden, wo das Trio bei einem sogenannten Übungsabend »in seinen beiden ersten Sätzen als ein hübsches und interessantes Werk [erschien], während das Schlussallegro bedeutend abfiel.« (Musikalisches Wochenblatt vom 26. Mai 1881)

• Prag, wo die »Pianistin Fln. Rosa Kačerovský […] das neue, fein gearbeitete, den Geist und die Eigenthümlichkeiten Goldmarks in unverkennbaren Zügen ausprägende Werk mit solidester technischer Fertigkeit […] und mit der zutreffendsten Auffassung« spielte (Prager Tagblatt vom 2. April 1882)

• Hamburg, wo der »Altonaer Clavierspieler Hr. George Schubart  zwei Soiréen gab, für die er sich als Hauptnummern drei Trios ausgesucht hatte: »Mendelssohn’s Cmoll, über das die Acten längst geschlossen sind, Goldmark’s Op. 33, das wir zu den schwächsten Arbeiten dieses Tonsetzers zählen und das namentlich in seinem letzten Satz von einer merkwürdigen Gedankenarmuth ist, und ein ganz neues, noch ungedrucktes in Esdur von Ludwig Meinardus, das trotz seiner äusseren Jugendlichkeit doch bereits den ›Modergeruch eines Antiquitätenlagers‹ um sich her verbreitete.« (Musikalisches Wochenblatt vom 18. Mai 1882)