Kühnheit der Harmonik und Instrumentirung

Im 3. Abonnementconcert der Philharmoniker hatte man neben reichlicher Gelegenheit zur Bewunderung auch manchen Anlaß zum Tadel, der nicht nur äußerliche Dinge, wie die Sucht, jedweden möglichen Winkel für Sitzplätze auszunutzen und das Stehparterre in widerwärtigster Weise zu verkürzen, trifft, sondern sich auch auf die Aufführung selbst bezieht: es mangelte nämlich der ersten Nr., Beethoven’s Fidelioouverture, jene Noblesse der Ausführung und Präcision der Einsätze, welche man von einem so weltberühmten Orchester wie dem der Philharmoniker zu verlangen das größte Recht hat. Zweite Nummer war eine Novität, nämlich ein Clavierconcert des durch seine Serenaden für Streichorchester bekannt gewordenen Rob. Fuchs, vorgetragen von E[mil] Smietanski, dessen bedeutende Technik hervorzuheben ist, dem aber erst wiederholtes öffentliches Auftreten die erforderliche Ruhe des Spiels verschaffen muß. Die Composition selbst, welche von einem sich auf Schumann’scher Basis ruhig und sicher entwickelnden Talente stammt, ist durchaus tüchtig, nur in den Passagen ein wenig hausbacken (Cadenz). Sie fand beifällige Aufnahme.

Aeußerst spannend in der harmonischen Entwicklung war eine auf das Clavierconcert folgende Ouverture zu »Penthesilea«, eine Novität von C. Goldmark mit dem Programm »Penthesilea und Achilleus – das Rosenfest – Kampf und Tod«. Der Componist erhielt die Anregung für diese Ouverture durch H. v. Kleist’s gleichnamiges Trauerspiel. Es geschieht viel Wildes und Tragisches in dieser Ouvertüre, welche, wie schon angedeutet, besonders durch Kühnheit der Harmonik und Instrumentirung zu fesseln weiß. Nach ihr wirkte Mozart’s Ddursymphonie Nr. 9, componirt 1778 in Paris, wie ein freundlicher Liebesblick nach anstrengendem Tagesgetriebe. (Neue Zeitschrift für Musik vom 1. Januar 1881)