… etwas hochfein Intentioniertes

Herr Fuchs hat, wie es scheint, nicht den Athem für Werke von größerer Anlage. […] Selbst ein so gediegener Piano-Virtuose wie Herr Emil Smietanski vermochte dieses für den Interpreten höchst undankbare »Concert« nicht in dem Maße zur Geltung zu bringen, wie es mit einer anderen Komposition gelungen wäre. Indessen erhielt er, wie auch der Componist Beweise ehrender Anerkennung. […]

Da sprach sich denn doch ein ganz anderer Geist aus der Ouvertüre zu »Penthesilea« von Goldmark aus, welche unmittelbar auf jenes »Clavierconcert« folgte, obschon auch in ihr der Born musikalischen Gehalts sehr spärlich fließt. Aber die geistreiche Fassung bekundet wenigstens eine Meisterhand und in dem Ganzen blüht eine poetische Empfindung. Die Ouverture fällt in das Gebiet der Programm=Musik, es ist ihr ein festes Inhaltsverzeichniß nach der Tragödie Kleist’s vorangestellt. Schwarz auf Weiß steht geschrieben, daß uns die Harmonien, die Porträts der »Penthesilea« und des Achill, das Rosenfest, aus welchem allein uns die Musik einige melodisch tiefer gefärbte Blätter zuweht, und endlich Kampf und Tod schildern sollen. Man kann dem Componisten immerhin das Recht zugestehen, eine poetische Idee dem musikalischen Ausdruck als Leitstern für den Hörer beizugeben, auch Beethoven hat ja etwas Aehnliches gethan. Wenn derselbe jedoch seine vierte [!] Symphonie mit dem Namen »Eroica« bezeichnete, die sechste Pastorale nannte, so wollte er damit nur flüchtig auf die Region hindeuten, welcher das Tonwesen in den beiden Schöpfungen entströmt, keineswegs aber dem Hörer zumuthen, den Harmonien der ersten die Gestalt Napoleon’s, der zweiten etwas das Bild einer Kirmeß in Weidling unterzuschieben. Darin ist ja eben die Musik vor den übrigen Künsten bevorzugt, daß sie uns in eine Stimmungswelt zu entrücken vermag, ohne nöthig zu haben, deren äußere Beziehungen zur Ursache darzulegen. Wird denn in der That die Wirkung der Ouverture gesteigert, wenn uns mitgetheilt wird, daß sich in ihren Tönen Penthesilea Püffe austheilen, oder daß es sich um die Feier eines Rosenfestes handelt. Das Bedürfniß eines Programms, welches dem Ausdruck die Bahn anweist, entspringt in der Regel aus dem Gefühle der Armuth an selbständigen musikalischen Gedanken. Ein solcher Vorwurf trifft indessen nicht Goldmark, der bereits genugsam bewiesen hat, daß ihm etwas einfällt, er wollte vielmehr dem Publicum in seinem Werke etwas hochfein Intentionirtes bieten. Die Musik ist übrigens mit poetischen Zügen und eigenthümlichen Effecten reich ausgestattet. Zu den letzteren gehört namentlich die Stelle, wo der E-dur-Dreiklang mit dem C-dur-Dreiklang und der A-dur-Dreiklang mit dem F-dur-Dreiklang zusammengestellt ist, so daß die herbsten Dissonanzen zusammenstoßen. Die Combination ist neu und wirkt prickelnd auf die Nerven, aber auf einen echt musikalischen Werth hat sie keinen Anspruch. Unserer Empfindung nach steht die »Penthesilea«-Ouvertüre gegen die »Sakuntala«-Ouvertüre des Componisten weit zurück. (Eduard Schelle in: Die Presse vom 14. Dezember 1880)