Schönheit der Harmonien, Glanz der Instrumentation

… die pièce de réstistance [!] des Programms. Es bietet, der in seinen früheren Werken hervortretenden Neigung des Componisten entsprechend, vorwiegend Musik descriptiver Natur, in ihren letzten Intentionen erst voll zu würdigen an der Hand ihres Programms, und neigt als Ganzes in freier Gestaltung mehr zur Haltung der »Symphonischen Dichtung«, – von der gewohnten Form der »Ouvertüre« wenig mehr als die Bezeichnung entlehnend.

Leopold Damrosch (1832-1885)

Mit sicherer Hand sind die Hauptmomente der Dichtung – Schlachtgetümmel, Rosenfest, Liebe, Tod – erfasst und von dem Componisten vereinigt zu einem musikalischen Bilde, welches den Musiker, der zunächst (und oft genug wohl auch allein) mit dem Ohre, dem kritischen, zu hören und Musik auf sich wirken zu lassen gewöhnt ist, fesselt durch die Originalität der Gedanken und ihrer Verarbeitung, durch die Schönheit der Harmonien, den Glanz der Instrumentation, kurz durch die effectvollste Ausbeutung des gesammten modernen Orchesterapparates –, welches dann aber auch Den, welcher noch vermittelst anderer Organismen seines Innern die tönende Kunst vernimmt, der in einem idealeren Sinne hört, der wirklich Musik auch zu empfinden versteht, durch die Kraft seiner geharnischten Kampfmotive, die süsse Anmuth seiner schwellenden Liebesmelodien entzückt und berückt und endlich durch die düsteren Klänge seines tragischen, in abgebrochenen Pianissimo-Accorden ersterbenden Ausganges mächtig ergreift und erschüttert. In „Penthesilea“ ist daher eine hochbedeutende Bereicherung der modernen Concert-Litteratur zu begrüssen, und ohne Zweifel rangirt die Composition an der Spitze der Goldmark’schen Instrumentalwerke. Die Ausführung der Ouvertüre war glänzend, und durch zweimaligen begeisterten Hervorruf des Dirigenten gab das Auditorium seinem Enthusiasmus Ausdruck.