Die Oper hat unstreitig gefallen

Nun noch Einiges über Goldmark’s »Königin von Saba«, welche an der hiesigen Nationaloper am 18. März mit reichster Ausstattung zum ersten Mal aufgeführt ward. Goldmark erfreut sich der Protection einer hohen, äusserst beliebten Herrscherin; diesem Umstande hat er es – ein on dit– behauptet es wenigstens – grossen Theils zu verdanken, dass seine Oper in Wien angenommen ward. Zufällig ist G. in Ungarn geboren, und das ung. Cultusministerium ertheilte ihm ein Stipendium; nun hat auch die erste Bühne des Landes ihre Pforten der »Königin von Saba« geöffnet. – Die Oper hat unstreitig gefallen. Zweifelsohne trugen hierzu die prachtvollen Decorationen, sowie die meisterhafte Aufführung, und zwar in erster Reihe der meisterhafte Gesang der Damen Benza und Tanner-Szabó ein gut Theil bei. Die Hauptforce Goldmark’s ist der hebräische Localton. Doch inwiefern sich derselbe von dem oriental-gefärbten Stile Felicien David’s oder Schumann’s, oder von den türkisch sein wollenden Musiken unterscheidet, das zu bestimmen wäre ich nicht im Stande. Goldmark hat neue, er hat auch schöne Ideen; er weiss meisterhaft zu instrumentiren und hat die dramatische Diction in seiner Gewalt; und trotzdem macht die Oper auf mich den Eindruck des Gekünstelten, des Gesuchten; nicht zu gedenken der häufigen Reminiscenzen und gar mancher äusserst prunkvoll auftretender sog. ungarischer Tonleiter, welche, gar zu oft wiederholt, geradezu peinlich wirkt. Raffinement und Manierirtheit, Effecthascherei mit unschönen Modulationen und wilden Tonfolgen verleiden gar manche Stelle der Oper. Doch vielleicht urtheile ich zu rasch über das nur einmal gehörte Werk; und so will ich nicht unterlassen, zu erwähnen, dass das Werk von der hiesigen Journalistik mit einstimmigem Hosiannahrufe empfangen und in überschwänglichen Dithyramben wahrhaft verhimmlicht wurde. (Musikalisches Wochenblatt vom 7. April 1876)