… dürfte mit Einem Worte sicherlich ihren Weg machen …

… mit einem gewissen Bangen sah man einer neuen Symphonie von Goldmark entgegen, welche den Schluß bildete. Denn erst kürzlich hatten wir bei Gelegenheit der Symphonie von Bruckner uns nicht enthalten können, den Muth eines modernen Componisten zu bewundern, in dieser heiklen Kunstform eine Karte auszuspielen, weil das Publicum von vornherein ein gewisses Mißtrauen gegen derartige Novitäten hegt, besonders aber wenn die Philharmoniker sie bringen. Goldmark befindet sich allerdings in einer günstigeren Stellung als Bruckner, den sein Name hat einen wohlbegründeten und verbreiteten Ruf. Aber selbst der Ruf ist nicht immer eine sichere Garantie des Erfolges. Goldmark ist in der That der Wurf gelungen, sein Werk hat allgemeinen Beifall geerntet. Der Titel: »Ländliche Hochzeit«, besagt schon, daß die Symphonie in die Gattung der etwas anrüchigen Programm-Musik fällt. Mag man aber über Programm-Musik denken wie man will, schließlich kommt es doch nur darauf an, daß ein Tonwerk anspricht und dieses Lob muß man dieser Symphonie zollen. Die Musik ist durchaus frisch, gesund und zeichnet sich auch, wie man es von Goldmark nicht anders erwarten kann, durch eine gediegene und gefällige Architektonik aus. Der Componist will uns ohne Zweifel in den sechs [sic!] Sätzen: »Hochzeitsmarsch«, »Brautlied«, »Serenade«, »Eine Gartenscene« (Andante), »Tanz«, den Stufengang einer idyllischen Hochzeitsfeier ans dem Lande in Tönen schildern. Auffallend ist es, daß der Hochzeitsmarsch in einem Thema mit Variationen besteht. Soll das vielleicht eine zarte Hindeutung auf die Variationen sein, an denen der Ehestand nicht arm ist? Da ist es auch ganz in der Ordnung, daß das scharfe Blech, die große Trommel nebst Triangel eine Rolle spielen, und ein Schatten von Trauer kommt dem Effect sehr zu Statten. Das Thema – es könnte rhythmisch dem Boden der »Eroica« entsprossen sein, ohne daß es ihr entlehnt wurde – erklingt zunächst leise in den Bässen, die es im Unisono anstimmen, tritt dann in ein helleres Licht und entfaltet sich in einer Reihe farbenreicher, charakteristischer Bilder. Diesem Satz möchten wir den Preis vor den übrigen zuerkennen; man kann ihn sogar als ein Meisterwerk in seiner Art bezeichnen. Gegen ihn stehen das »Brautlied« (ein Intermezzo), die »Serenade« (Scherzo), das Andante: »Im Garten« an Bedeutung zurück; sie drängen sich auch zu anspruchsvoll über den Rahmen des Bildes hinaus, welches der Musik zu Grunde liegt. In dem letzten namentlich, das doch wahrscheinlich über die Herzensergießungen der beiden Liebenden uns etwas erzählen soll, schwingt der Ausdruck in Rhythmen, die zu der anspruchslosen Naivetät eines Liebes-Idylls nicht passen wollen. Dagegen ist der Schlußsatz »Tanz« voll kräftiger Verve; ein wahrer Kehraus, aus dem auch hin und wieder ein kleines Räuschchen humoristisch hervortönt. Die Symphonie dürfte mit Einem Worte sicherlich ihren Weg machen und auch in den Repertoiren ausländischer Concertvereine ihren Platz ausfüllen. (Eduard Schelle in: Die Presse vom 9. März 1876)