Karajan and his soloists I

Fünfundzwanzig Jahre sind vergangen, seit Herbert von Karajan am 16. Juli 1989 die internationale Musikszene verließ. In Erinnerung an die singuläre Persönlichkeit, an der sich bis heute beinahe so viele Diskussionen wie Begeisterungen entzünden, hat Warner Classics in einer opulenten, vielteiligen Edition eine eindrucksvolle Anthologie herausgebracht, deren Inhalt die langjährige Zusammenarbeit des Maestro mit His Master’s Voice und EMI reflektiert.

Uns interessiert an dieser Stelle vor allem die siebte der achtteiligen Box Karajan and his soloists I – und zwar aus dem einfachen Grunde, weil in der illustren Runde höchstkarätiger Instrumentalisten auch einer unserer langjährigen »Klienten« mit zwei eigenen Werken zu Worte kommt: Der Pianist und Komponist Kurt Leimer, der am 11. und 12. November 1954 mit dem von Karajan geleiteten Philharmonia Orchestra in der Londoner Kingsway Hall das c-moll-Klavierkonzert und das Konzert für die linke Hand eingespielt hat.

Insider und Freunde des enormen Virtuosen Kurt Leimer werden die früheren Veröffentlichungen der beiden sechzig Jahre alten Aufnahmen gewiß kennen. Für die aktuelle Karajan-Edition wurden sie indes – wie praktisch alle Elemente der Serie – einem neuerlichen Remastering unterzogen, das gewissermaßen den letzten feinen Grauschleier entfernt hat und das ohnehin schier unausweichliche Vergnügen an dem leicht schrägen Humor des Protagonisten noch einmal steigert. Von der Grundreinigung profitieren beispielsweise die gestischen und motivischen Halbzitate des c-moll-Konzertes, dessen erster Satz unter anderem Rachmaninoffs Paganini-Rhapsodie und Franz Liszts Ungarische Rhapsodie Nr. 2 durch den Reißwolf dreht, im anschließenden Andante tranquillo formal dem Mittelsatz des ersten Tschaikowsky-Konzertes folgt und sich am Ende gar auf die Suche nach Sergej Prokofieffs Leutnant Kijé begibt, während zugleich wieder ein aus der Bahn geworfener Liszt zum Marsch aus Tschaikowskys Pathétique dahintrabt. Und auch dort, wo Leimer mit seiner bloßen Linken die Klaviatur durchpflügt, konnten die Meister des technischen Auffrischung noch einige Stäubchen entfernen: Mögen die Unterschiede zu älteren Ausgaben auch minimal sein, so saugt uns das Klangbild doch geradezu in die Szene, in der ein mit allen pianistischen Wassern gewaschener Komponist erneut mit Rachmaninoff diniert, während die Pauken des Gershwin-Konzerts (das Leimer vorzüglich beherrschte) und vernehmliche Jazz-Parodien für die Tafelmusik sorgen und wir uns zwischendurch fragen müssen, ob nicht sogar die »ausgerechneten Bananen« der Comedian Harmonists (»nicht Erbsen, nicht Bohnen«) durchs Gefüge geistern.

Bei Karajan and his soloists I befindet sich Kurt Leimer in bester Gesellschaft. Dinu Lipatti, Dennis Brain, Walter Gieseking und Hans Richter-Haaser, dazu (in Mozarts Sinfonia concertante KV 297b) neben Brain drei weitere exzellente Solisten und (in Jules Massenets Méditation) der langjährige Konzertmeister des Philharmonia Orchestra, Manoug Parikian – das sind die Mitglieder eines musikalischen Zirkels, der Langzeitwirkungen erzielte und in praktisch jeder Darreichungsform noch immer Eindrücke der Endgültigkeit hinterläßt. (EH)