Reflexion und in tiefen Ernst sich versenkende Arbeit …

Vom Hofoperntheater ist die überaus günstige Aufnahme zu melden, die Goldmark’s neue Oper »Die Kriegsgefangene« (Text von Ernst Schlicht, Pseudonym für Alfred Formey) bei ihrer Premiere am 17. dieses Monats gefunden hat. Wir können uns nicht unbedingt diesem vom großen Publicum ertheilten Placet anschließen, hinsichtlich des Textes sowohl, der mit dem aus Homer’s Iliade entnommenen dramatischen Vorwurf sehr frei umspringt, wie der Musik. Bei letzterer kommt es selten zu einem freien Ausströmen der Phantasie, zu schönen melodischen Ergüßen, Reflexion und in tiefen Ernst sich versenkende Arbeit nehmen den breitesten Raum ein. In der von Mahler geleiteten trefflich verlaufenen Ausführung hatten Fräulein Renard und Herr Reichmann die wirksamsten Partien.

(Signale für die musikalische Welt vom 30. Januar 1899)