… als vollständig gelungen zu betrachten

Wiener Theater-Revue.

Hofoper. Mir großer Spannung wurde der Erstaufführung von Goldmark’» neuester Oper: »Die Kriegsgefangene« entgegengesehen, und glauben wir constatiren zu können, daß Diejenigen. die von dem berühmten Meister eine bedeutende Leistung erwartet halten, auch auf ihre Rechnung gekommen sind. Den textlichen Inhalt des Werkes, der aus der Feder dea evangelischen Pfarrers Formey (unter dem Pseudonym Ernst Schlicht) stammt, können wir bei unseren Lesern bekannt voranssetzen, wir haben also nur die Musik zu beurtheilen. Und diese ist, wenn wir die Einzelheiten betrachten, wenn wir die prächtige, farbenreiche und zugleich stylvolle Orchestrirung hören, wenn wir den Einzel- und Chorgesängen lauschen, als vollständig gelungen zu betrachten und bedauern wir nur, wegen Platzmangel nicht näher in die Oper eingehen zu können. Freilich hat Goldmark sein Werk in die besten Hände gelegt gehabt. Er hatte einen congenialen Dirigenten seiner Arbeit gefunden, es stellte sich ihm eine auserlesene Künstlerschaar im Orchester wie aus der Bühne willig zur Verfügung, er konnte sich endlich auf einen ausgezeichneten geschulten Chor völlig verlassen. Unter solchen Umständen mußte ein Werk, wenn es aus der Feder eines längst anerkannten Meisters stammt, den vollen Beifall finden. Das größte Lob in der Darstellung verdienen Frl. Renard und Herr Reichmann, aber auch Frl. Walker und die Herren Hesch, Neidl, Pacal, Felix und Schittenhelm von denen sich einige im Interesse des Werkes für ganz kleine Rollen verwenden ließen, gaben ihr Bestes. Meister Goldmark wurde nach jedem Actschlusse und am Ende der Oper mit den Künstlern oftmals gerufen. Elben.
(Deutsche Kunst- & Musik-Zeitung vom 25. Jänner 1899)