… eine anheimelnde, natürlich geführte Handlung

* Dresden, 13. September. Goldmark’s »Heimchen am Herd« hat sich auch hier sehr glücklich eingeführt: eine Oper wieder einmal nach dem Geschmacks des Publicums. Etwas Märchenduft und Elfenspuk, etwas Rührseligkeit und Sentimentalität, ein zur richtigen Zeit kräftig einsetzender Humor, lebendige Volksscenen u. s. w., dazu eine an anheimelnde, natürlich geführte Handlung, aus welcher das Original des seligen Dickens allerdings nur noch in schwachen Umrissen erkennbar ist. Goldmark, der zum ersten Male vom Cothurn der Großen Oper in die Volks- und Märchenwelt herabgestiegen, hat sich in den Heimchen-Stoff mit aller Liebe versenkt. Er characterisirt die einzelnen Personen des Stückes vortrefflich, die Melodien, die er ihnen in den Mund legt, fließen einfach, ungezwungen, ohne der Eigenart zu entbehren, für jede Situation, ob elegisch oder humoristisch, fand er den richtigen Ton, die richtige Stimmung. So wird man Goldmark’s Musik zum »Heimchen« überall lieb gewinnen und der Kenner im Besonderen an der kunstvoll gearbeiteten Partitur, an der sauberen, prächtig wirkenden Instrumentation seine helle Freude haben. Die Premiere am 5. dieses Monats fand in des Componisten Anwesenheit statt. Im ersten Act ist für einen Erfolg am wenigsten gethan, dieser stellte sich erst beim zweiten und dritten Act ein, hier aber in entscheidender Weise. Das sich auf einem bekannten Volkslieds aufbauende, höchst effectvoll durchgeführte Orchesterstück mußte wiederholt werden. Unter Schuch’s Leitung gestaltete sich die Aufführung in rein musikalischer Beziehung zu einer vorzüglichen. Die Frage, ob nicht diese oder jene Partie noch wirksamer hätte vertreten sein können, wollen wir unerörtert lassen. Mit der sehr dankbaren Rolle der Frau Dot hatte Frau Edel besten Erfolg, der Postillon John liegt Herrn Scheidemantel gesanglich ausgezeichnet, darstellerisch indessen nicht besonders. Sehr anmuthig verkörperte Fräulein Wedekind das Heimchen, gewissenhaft musikalisch, wie immer, aber auch ohne seelische Erregung sang Fräulein Bossenberger die May. Eine gute komische Charge lieferte Herr Nebuschka als Takleton, am ungeeigneten Platz befand sich Herr Forchhammer (Eduard.) Mit der neuen Oper führte sich der neuengagirte Opernregisseur Herr Mödlinger vortheilhaft ein. Auch hinsichtlich der Ausstattung wird Goldmark’s »Heimchen« für längere Zeit eine Sehenswürdigkeit bilden. –